Claude-Nicolas Ledoux *21.3.1736 Dormans |
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Eine Chronologie
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Claude-Nicolas Ledoux wurde am 27.März 1736 in Dormans, einem Dorf in der Marnelandschaft, geboren. Seine Eltern, der Kaufmann Claude Ledoux und seine Frau Francoise Dominot, lebten dort in äußerst bescheidenen Verhältnissen. Doch Claude-Nicolas hatte Glück: gleich nach Abschluß der dörflichen Pfarrschule erhielt er ein Stipendium der Diözese Soissons, das ihm erlaubte, in Paris zu studieren. Ledoux behält die ersten dreizehn Jahre seines Lebens inmitten eines bodenständigen, rechtschaffenen dörflichen Lebens für immer in liebevoller und sehnsüchtiger Erinnerung. Seine ganze berufliche Laufbahn hindurch wird er sich immer wieder mit landwirtschaftlichen Reformen beschäftigen, und am Ende seines Lebens wird die Reform der Gesellschaft des Landlebens sein wichtigstes Thema. Obwohl sich Ledoux später gegen einen strengen Akademismus wenden wird, so ist es doch sein Aufenthalt am College de Beauvais, von 1749 bis 1753, der ihm Zutritt gewährt zu einer Welt, die er nie wieder verlassen wird: die Welt der antiken und der modernen Klassik und die der neuen, fortschrittlichen Wissenschaften. Trotz erster, viel beachteter Architekturentwürfe, erlernt Ledoux den Beruf des Kupfer-stechers. Er stach Kriegsszenen, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, später vervoll-kommnete er sich an der Ecole des Arts bei Francois Blondel. Die Zeit der architektonischen Ausbildung bei Blondel – die sicher auch zeitweilige Anstellungen in den Ateliers von Pierre Contant d`Ivry und Louis-Francois Trouard umfaßte – war, trotz der späteren Zweifel an der pedantischen Entwurfslehre von le professeur , für Ledoux entscheidend. Sie vermittelte ihm zweierlei: einmal eine Einführung in die Architektur auf philosophischer Ebene durch den engagierten Mitverfasser der Encyclopedie, zum anderen eine klare Definition der Aufgaben des Architekten in der Gesellschaft, so wie sie Blondel in seinen Vorlesungen nach den Merkmalen distribution et caractere, Verteilung und Charakter vorgenommen hatte. Der erste freie Auftrag für Ledoux war das Cafe Godeau oder „Cafe Militaire“ von 1762. Im vorletzten Jahr des Siebenjährigen Krieges führte er hier einer mondänen Klientel aus Veteranen und Offizieren seine Neigung zum Aristokratischen elegant vor Augen. Der Salle de Cafe, der später im Musee Carnavalet wieder aufgebaut wurde, geriet zu einer mustergültigen Illustration seiner klassischen Bildung: eine fiktive Welt, gestaltet vielleicht in Anlehnung an Caesars Kommentare, dient als Hintergrund für das gesellschaftliche Leben der Offiziere.
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Vertäfelung mit Wappen aus dem Cafe Miltaire, (Paris) | |||||
Portrait de Marie- Madeleine Guimard von Honore Fragonard (Paris, Musee du Louvre) |
Nach einigen anderen Aufträgen festigte Ledoux 1770 seinen Ruf als Architekt auf der Höhe seiner Zeit, dank zweier Aufträge, in deren Hintergrund die Öffentlichkeit stets die beiden berühmten Gönnerinnen sah, zwei der bekanntesten Kurtisanen jener Zeit. Für Mademoiselle Guimard, Primaballerina an der Opera, baute Ledoux ein Hotel in dem schnell wachsenden Quartier um die Chausee d`Antin und fügte jenes Privattheater für intime Aufführungen hinzu, dessen delikat skandalöse Ruf in aller Munde war. Für Madame Dubarry, die gerade zur Maitresse Ludwig XV. aufgestiegen war, baute Ledoux ein Palais – Boudoir im Park von Louveciennes. Doch dem voyeuristischen Rückblick des späten 19. Jahrhunderts blieb die architektonische Bedeutung dieser Pavillons eher verborgen: sie zeigten Ledoux`Gabe; eine theaterhaft anmutende Verbindung zwischen den dekorativen Künsten und der Architektur schaffen zu können; darüber hinaus bot das Theatre Guimard eine erste Gelegenheit, in der Geometrie des großen Saals die vielfältigen Beziehungen zu erproben, die im Theaterraum zwischen Publikum und Bühne herrschen. Dazu war es bei beiden Pavillons gelungen, die individuell geschnittenen Eingangsräume in meisterhaft arrangierter Abfolge innerhalb der einfachen kubischen Gebäudehallen anzuordnen. Diese Aufträge führten Ledoux mit einer großen Zahl von Mäzenen zusammen. Bei den Privatvorstellungen im Theatre Guimard begegnete er dem Duc de Chartres, dem späteren Bauherrn eines seiner Zollhäuser; aber auch Friedrich II., Landgraf von Hessen-Kassel, der ihn 1776 zu sich nach Kassel kommen ließ, und Joseph II., dem Bruder von Marie-Antoinette. In Louveciennes gewährte Ludwig XV. Ledoux eine Privataudienz und bedeutete ihm seine Befriedigung ob der Proportionierung der Säulen. Als Lieblingsarchitekt der Dubarry profitierte Ledoux außerdem noch von einer Kulturpolitik, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, Madame de Pompadours bestimmenden Einfluß auf die Künste einzuengen. Nach einer erfolglosen Kandidatur von 1767 wählte man Ledoux 1773 in die Academie. Ein Kritiker kommentierte damals verachtungsvoll: „ Monsieur le Directeur des Batiments hatte an die Gesellschaft (der Academie) geschrieben, daß Madame Dubarry wünsche, daß Ledoux gewählt werde, und er wurde gewählt.“ Aber auch die Dubarry selbst bedachte Ledoux mit weiteren Aufträgen: für den Bau ihres Hotel des Equipages in Versailles, bei der Planung großer Paläste in Louveciennes und Paris und, nachdem sie 1774 in die Provinz emigrieren mußte, mit dem Entwurf für ein bescheideneres Schloß in Saint-Vrain bei Arpajon. Während dieser zehn Jahre arbeitete Ledoux auch für den Service des Eaux et Forets , die staatliche Forstbehörde. Er fertigte Entwürfe für eine ganze Reihe kleinerer Projekte in den ländlichen Gebieten der späteren Departements Haute-Marne, Haute-Saone, Yonne und Aube: darunter waren Instandsetzungen von Pfarrhäusern, Kirchen und Sakristeien, von Schulen und Friedhöfen, auch das Befestigen bestimmter Landstraßen und die Anlage von Wasserstellen, Brunnen und Tränken, schließlich der Bau einiger einfacher Brücken über Bäche und Flüsse. Dieses Repertoire von bescheidenen ländlichen Arbeiten läßt in seiner Spannweite und seinen Stilformen schon Ledoux` spätere Projekte für eine umfassende Architecture rurale erkennen, und er kommt auf diese Weise früh mit dem Ingenieurstab der Pont et Chaussees, der Straßen- und Wasserbauverwaltung, in Verbindung. Schon bei seinem ersten Kirchenumbau in Rolampont führt Ledoux seine wichtigsten Stilelemente ein: ein großes Hauptschiff und Seitenschiffe, mit gedrückten Bogen, getragen von quadratischen Wandpfeilern mit Konsolen, die als dorische Triglyphen gearbeitet sind; ein Portal mit Giebel und einer einzigen, von einem Rundbogen überspannten Tür in einer Fassade aus behauenem Stein; ein quadratischer Glockenturm mit Seitenpilastern, gekrönt von einer für die Franche-Comte typischen glockenförmig geschnittenen kleinen Kuppel. Die schönste seiner Kirchen steht in Cruzy-le-Chatel: Die Schiffe werden getragen von halbkreisförmigen Bögen auf quadratischen Wandpfeilern, wiederum in einem vereinfachten dorischen Stil, während der Portikus, flankiert von doppelten dorischen Pilastern, durch einen stark herausgearbeiteten Giebel mit Triglyphen und Metopen bekrönt wird. Bei diesen ländlichen Arbeiten in der Provinz sammelte Ledoux viele Erfahrungen, die ihm später eine Karriere ermöglichten, die weit über die üblichen Arbeitsmöglichkeiten eines Architekten der feinen Gesellschaft hinausging: die Umgestaltung und Pflege von Wäldern, die sozialen Bedingungen der Landbevölkerung, die Fortentwicklung des Land- und Wassertransports und Techniken des Ingenieurbaus waren Themen, die, in Verbindung mit seinem Interesse an einer Modernisierung der Landwirtschaft und der Förderung ländlicher Industrien, einen zentralen Platz in seiner Architekturtheorie und Entwurfspraxis einnahmen. Ende 1771 wurde Ledoux zum c ommissaire des salines für die Franche-Comte, Lothringen und die Trois-Eveches ernannt. So wurde Ledoux in jenes Corps der Inspektoren für die Industrie aufgenommen, das von Colbert geschaffen und von Daniel Trudaine um 1750 ausgebaut worden war; es sollte Qualität und Arbeitsweise der Manufakturen kontrollieren und, wo nötig, Baumaßnahmen vorschlagen. Jeder andere Architekt hätte diese Position möglicherweise als ein müheloses, einträgliches Amt angesehen. Doch Ledoux nahm die Aufgabe nahm die Aufgabe ernst, und im Verlauf von drei Jahren hatte er das Amt in eine Kommission zum Bau einer neuen Saline verwandelt, der Saline von Chaux in der Franche-Comte. Er gewann dafür zwei verläßliche Gönner: Trudaine de Montigny, umfassend gebildeter Philosoph und Handelsverwalter, und Haudry de Soucy, Musikliebhaber und directeur des salines bei der Generalpacht, der die Salinen unterstanden. Mit ihrer Hilfe errichtete Ledoux von 1773 bis 1778 die schönste Modellanlage einer Manufakturansiedlung im Ancien Regime.
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Die Kirche Saint-Pierre-aux-Liens in Rolampont/Haut-Marne |
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Zwischen 1775 und 1789, von der Grundsteinlegung der Saline bis zur Französischen Revolution, baute Ledoux , trotz vieler wirklicher und imaginärer Rückschläge, eines der erfolgreichsten und brillantesten Architekturateliers dieser Zeit auf. Er fand seine wahre Berufung in öffentlichen Aufträgen, obwohl er sein Engagement für kleine Stadthäuser und die Stadtentwicklung von Paris weiter ausdehnte. Bis zuletzt gefördert von der Ferme generale, baute er einen Salzspeicher in Compiege, begann mit der Errichtung von riesigen zentralen Verwaltungsbauten für die Ferme in Paris, und überwachte, zwischen 1784 und 1789, den Bau von mehr als sechzig Torhäusern entlang der Stadtmauer von Paris. Die Unterstützung von Trudaine de Montigny war ihm hilfreich in Besancon, wo er von Lacore, dem Intendanten der Franche-Comte, den Auftrag für ein Theater erhielt, und in Aix-en-Provence, wo er, bei M. des Gallois de la Tour, dem Intendanten und ersten Präsidenten des parlement, eingeführt, mehrere Entwürfe für einen neuen Justizpalast und neue Gefängnisse fertigte. Von Landgraf Friedrich dem Zweiten nach Kassel gerufen, entwarf er für die Stadt einen Triumphbogen, machte Pläne für den Umbau der königlichen Bibliothek und des Museums und zeichnete grandiose Visionen für einen neuen Palast. Er verfolgte jede Aufgabe mit dem gleichen Enthusiasmus, ob ein Bankhaus für Turgot oder Calonne, ein neues Theater in Marseille, ein Rathaus in Neuchatel oder die Märkte in der rue Saint-Germain in Paris. Während dieser Jahre fand Ledoux auch seinen Platz in der Pariser Gesellschaft. Nachdem er sich von dem Verlust erholt hatte, der ihm durch die Ungnade der Madame Dubarry und die Absetzung des Hauses Turgot entstanden war, nutzte er seine Position als Mitglied der Academie und auserwählter Architekt der Ferme. Seine Verbindung zum Marquis de Montesquiou bereicherte seine literarischen Freundeskreis, hier traf er Abbe Delille, dessen Virgil-Übersetzungen und Prosadichtungen – besonders Les Georgiques, Les Jardins – seine Visionen von Landschaftsgestaltung und Landreform beeinflußten. Hubert Robert, Watelet, De Wailly und Brongniart vervollständigten den künstlerischen Kreis. Die Freunde waren durch ihr gemeinsames Interesse an Theater und Oper ebenso verbunden wie durch ihren selbstbewußten Verkehr in den Freimaurerlogen. Der Name Ledoux taucht, im Gegensatz zu vielen hundert anderen Namen von Pariser Architekten, auf den Listen der Grand Orient-Loge zwischen 1774 und 1789 nicht auf |
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Torhäuser und Justizpalast |
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In dieser Gesellschaft fand Ledoux Unterstützung für eine Architektur, die sich sozialen Reformen und einer neuen Ästhetik verschrieben hatte. Diese Zeit der „ Ausgelassenheit“ war aber nur von kurzer Dauer. Während der Revolutionsjahre und der ersten Jahre des Empire war Ledoux nahezu ohne Arbeit; er hatte kein Geld mehr und keine Freunde. Seine engen Verbindungen zu den Höfen von Ludwig XV und Ludwig XVI., vor allem zu der verhaßten Dubarry, dazu seine fortdauernden Kontakte zu der emigrierten Aristokratie ( besonders zu Calonne in London) und vor allem sein Ruf als Architekt der Generalpacht, all das machte jeden Auftrag an Ledoux unmöglich und verdammte ihn zu einer Art innerer Emigration. 1793 wird er sogar verhaftet. Ihm drohte das gleiche Schicksal, das viele seiner früheren Freunde und Förderer ereilt hatte. In einem seiner Texte schrieb er, „das Beil der Nation war erhoben, man ruft Ledoux, doch das bin ich nicht (...), das war ein Doktor der Sorbonne gleichen Namens. Unglückliches Opfer!(...) Ich fahre fort.“ 1795 wurde Ledoux freigelassen. Während des Jahres im Gefängnis schrieb Ledoux an einem Manuskript über seine Bauten, entwarf auch ein niemals veröffentlichtes Memoire über die barrieres und vor allem Pläne für dieVeröffentlichung seines Werks in fünf Bänden. Dieser Aufgabe widmete er die letzten elf Jahre seines Lebens. Dieses Werk sollte ihn vor der Nachwelt rechtfertigen. An Mignard, einen der Auftraggeber in Aix, schrieb er 1803: „Es ist mir Kraft und in einem guten Ton geschrieben. Es wird gedruckt, und das Buch ist noch von größerer Pracht: Ich glaube, daß dies einen großen Eindruck machen wird.“ In den zwei Jahren nach Erscheinen der Architecture wartete Ledoux voller Hoffnung auf eine Anerkennung, die niemals kam. „Diese architektonische Metaphysik“, wie es der Architekt Detournelles nannte, eine Verbindung des Sublimen mit dem Karikaturhaften, fand nur wenige Bewunderer in der großen Zeit des Empire. Am 12. November 1806 machte Ledoux wegen einer schon mehrere Monate währenden Krankheit sein Testament und teilte seine Güter zwischen der einzigen Tochter, die ihm geblieben war, und seinem Schützling Pierre Vignon. Sieben Tage später starb Claude-Nicolas Ledoux an Paralyse. Am Tag seiner Beerdigung folgten trotz des Regens viele Menschen dem Leichenzug zum Fuß des Montmartre; Luce de Lancival und Vignon lassen Elogen und Gedichte, und man kündigte einen Wettbewerb unter seinem Namen an. Der zweite Preisträger sollte die Architecture erhalten. Es ist unwahrscheinlich, daß der Preis jemals abgeholt worden ist. |
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